Bio sam kriv što sam živ / Ich war schuld, am Leben zu sein
2006 war ich das vierte Jahr in Serbien. Mit der Sprache machte ich meine ersten Fortschritte, da ich endlich 2 Lehrmeister zu Freunden gewonnen hatte. Der erste, Lenhart, war als wir uns kennenlernten, nicht wie alle davor, auf englisch umgeswitcht, sondern sprach ausschliesslich serbisch mit mir.(ich wusste auch lange nicht ob er überhaupt englisch konnte). Der zweite, Mileta, konnte einfach kein englisch. Als ich wieder eimal bei Mileta in Pančevo war, (ich wohnte damals in Belgrad) lag da ein Buch. Ich nam es und las 5 Seiten. Erst da viel mir auf, ich hatte alles verstanden. Wer war der Autor? Ich hatte meine erste begegnung mit Stanoje Čebić. Mileta erzählte mir, dass sein Vater das Buch von Cebic persönlich gekauft hatte. Cebic ging wohl durch Fabriken und Werkstätten und brachte so sein Buch unters Volk. Mileta hatte ein ähnliches Erlebnis mit Cebic´s Buch. Er sagte es wäre das erste Buch gewsen welches er als Kind gelesen hatte. Wir forschten ein wenig, erfuhren dass Cebic wohl auf einer Parkbank am Bahnhof in Valjevo schlief. Da wir nichts weiteres über ihn fanden und auch nicht nach Valjevo kamen, vergasen wir ihn wieder. 2010 kam Dejan spontan mit dem Flieger nach Pula. Er hatte vergessen ein Buch mitzunehmen also gab ich ihm Cebic´s Buch. Auch bei Dejan kam sofort die Frage: Wow, wer ist das? Dejan hatte einen Freund in Valjevo, diesen rief er sofort an und er wurde von ihm zur Bibliothekarin der örtlichen Bibliothek weitergeleitet. Er rief an, die Bibliothekarin fragte: „Wen suchen sie?.... Moment. Rufen sie doch morgen ein wenig früher an, da ist er immer hier am Zeitung lesen!“ wir hatten ihn gefunden! Am nächsten Tag verabredeten wir ein Treffen mit ihm im Frühling 2011. es sollte leider nicht dazu kommen, da Cebic wenige Wochen vor diesem Termin verstarb. Wir fuhren trotzdem nach Valjevo und begaben uns auf Spurensuche.
1931 geboren, 5 Geschwister, die meiste Zeit hungrig, keine Klamotten, Schläge. Nachdem die Partisanen wieder im Dorf waren und schön über die Volksbewegung geredet hatten, beschliesst Cebic mit einem Freund sich als 14 jährige auszugeben und zu den Partisanen zu gehen. Auf dem Weg dorthin werden sie von ihren Eltern abgefangen. Sein Vater verprügelt ihn unmenschlich, gleichzeitig findet er heraus, dass 3 seiner Brüder sich einen Tag vorher den Partisanen angeschlossen hatten.
1946 auf die Militärtechnische Schule. Schlecht in Theorie, gut in der Praxis. Das erste paar (!) richtige Hosen, das erste mal ein sauberes Bett und ein Bad. Zuhause war das Wort „Badezimmer“ nichts weiter als ein „Traumwort“. Zuhause wurde 2x im Jahr gebadet, im Juni und im September.
1949 Schulabschluss mit Diplom. Als er 1959 das Diplom verliert und in Valjevo versucht eine Kopie zu bekommen, stellt er fest dass es von 1949 keine Akten gibt. Also muss er ohne Diplom weiter.
Erste Arbeit, erster Rauswurf wegen Beschwerde über das geschmacklose Mensaessen. Bohnen ohne Geschmack, kein Stück Speck oder Fleisch darin. Was er aber am meisten hasste waren die geschmacklosen Zucchini die es fast täglich gab.
Militärdienst bei den Fliegern. Nicht ein Flugzeug gesehen. Offiziersschule.
Zurück „Nach Hause“ wo er es keine 3 Tage aushält. Suche nach Arbeit in Valjevo. Weil keine Arbeit zu finden ist, Überlegung Polizist zu werden. Bevor es dazu kommt wird er nach Konjic in Bosnien zur Arbeit geschickt. Vom Montenegrinischen Direktor wird er respektvoll Empfangen. Die zugeteilte Maschine ist derart kaputt, dass er ein Bittschreiben verfasst, mit der Bitte eine bessere Maschine zugeteilt zu bekommen. Als Antwort bekommt er: „Ein guter Meister kann auch mit einer schlechten Maschine gut Arbeiten und sein Brot verdienen.“
Er verlässt den Arbeitsplatz und geht Richtung Sarajevo auf der Suche nach einem menschenwürdigen Arbeitsplatz. Er findet Arbeit in einem Dorf nahe Sarajevo bei der Militärpost. Dort sind sie zu sechst in 2 kleinen Zimmern. Im Dorf gibt es keine Bäckerei und so bitten sie die Arbeiter welche aus Sarajevo kommen ihnen Brot mitzubringen, was natürlich ständig vergessen wird. Außerdem steht er nach 8 Stunden Arbeit noch einmal 2 Stunden in der Mensa zum essen an. Mit seinen Mitarbeitern schreiben sie ein Bittschreiben nach Sarajevo und siehe da, es wird eine Bäckerei im Dorf gebaut. Cebic ist da aber schon weiter. Er geht wieder nach Serbien, wird in einer Firma angenommen, wieder schlechtes Werkzeug, versucht es wieder in Bosnien. Er reist meistens auf dem WC im Zug als blinder Passagier. Wieder nach Serbien. Er schreibt er fühle sich schon wie ein Botschafter zwischen Bosnien und Serbien. Rauswurf meistens wegen Beschwerde über das Essen oder das schlechte Werkzeug. Einmal sogar, weil der Chef auf das Mädchen welches sich in Cebic verschaut hatte, scharf war. In Banja luka geht er hungrig ins Hotel Bosna, fragt nach dem Direktor und bekommt etwas zu essen. Bevor er einen bissen essen kann wird er verhaftet. 5 Monate wegen „Umstürzlerischem Auftreten“ Vor dem Gericht sagt er „So hungrig wie ich bin könnte ich nicht einmal eine Barrikade bauen, geschweige denn eine Regierung stürzen.“ alle lachen, trotzdem wird er Verurteilt. Danach wieder Suche nach Arbeit. Überall eckt er an und geht meist freiwillig weiter. Aus Zenica fährt er Richtung Doboj als blinder Passagier im Zug. Drei mal wird er rausgeworfen und beim vierten mal stürzen sich die Kontrolleure auf ihn und fangen an ihn zu verprügeln.ein Polizist kommt dazu und anstelle ihn zu retten, prügelt er mit. Sie haben da Marx in mir getötet, schreibt er, Gott haben die Popen schon in seiner Schulzeit getötet. Er hat nicht mitgezählt aber er hat bestimmt mehr als 300 Schläge bekommen. Deshalb dachte er immer, dass er der Jugoslawischen Eisenbahn keinen Dinar schuldet, weil er bei den Kontrolleuren und dem Polizisten durch die Schläge schon für eine lebenslange Freifahrt bezahlt hat. Eines seiner Erkenntnisse ist schon sehr früh: „wo es eine gute Arbeitsmaschine gibt, gibt es kein Zimmer für Ihn und umgekehrt.“
Im Sommer 2018 bin ich wieder dazugekommen das Buch im original Serbisch zu lesen, das oben gelesene ist eine Extraktion der ersten 50 Seiten. So weit bin ich mit dem lesen gekommen. Es geht noch ca 100 Seiten so weiter. Er gab nicht auf. Am ende hatte er in 154 Werkstätten Arbeit gesucht und auch gefunden, wurde aber immer wieder wegen Beschwerden oder weil er auf seine Rechte als Arbeiter pochte entlassen oder ging freiwillig. In Deutschland hatte er lebenslanges Einreiseverbot erhalten, ging aber doch wieder dorthin. Am ende seines Buches gibt es eine detaillierte Auflistung aller möglichen dinge. Eineinhalb Seiten der Strecken welche er zu Fuß zurückgelegt hatte (ca 40 000km), eineinhalb Seiten Auflistung der Orte durch welche er kam, eine dreiviertel Seite Sexuelle Begebenheiten, Eineinviertel Seiten Aufenthalte im Gefängnis (z.b.: -Valjevo; 8 mal, davon 2mal wegen illegaler Grenzübertretung und 6 mal aus anderen Städten dorthin zurückgeschickt. Strafe zusammen 220 Tage – Heidelberg; 1mal, 28 Tage wegen wiederholtem illegalem Einreisen in die BRD – Genf; 1mal 1 Tag, wegen der bitte um Asyl nach den Genfer Konventionen) er hatte kein Glück aber er nahm es mit Humor. Wegen Verteilens einer selbstgeschriebenen Satire bekam er 30 tage. In Belgrad wurde er vor dem Besuch des Amerikanischen Präsident Nixon präventiv verhaftet, dass er keine Dummheiten während des Besuches macht. Und trotzdem machte er weiter mit seinen öffentlichen Auftritten, „politischer Performance“.
Cebic hatte mit reinem Herzen angefangen zu rebellieren er musste einfach etwas unternehmen um den grausamen Zustand, in dem sich die Arbeiter inmitten eines Arbeiter-Landes befanden, zu verbessern. Er war ein recht-schaffender Mensch der niemals etwas schlechtes getan hat. Er hätte stehlen können, hat es aber nicht getan.
Er hat aus Tellern anderer gegessen, das was übrigblieb. Er war trotzdem ein gepflegter Mensch. Er besaß ein Hemd welches er abends immer wusch und am nächsten Tag war es wieder an ihm.
Er hatte Freunde unter den jungen Intelektuellen der 60er und 70er. Bora Cosic half ihm bei seinem Buch. Er bekam einmal eine wohnung geschenkt, verschenkte sie aber weiter und lebte weiterhin auf Parkbänken in den jeweiligen Orten in welchen er sich gerade aufhielt. Es wurde ein kurzfilm mit, von und über ihn gedreht (Kolt 15 GAP)
Am Ende seines Lebens war er wieder in Valjevo. Er hatte seit tägliches Ritual. Er schlief auf einer Bank am Bahnhof, wenn er aufgestanden war ging er ins Hotel im Stadtzentrum, rasierte und wusch sich und bekam dort einen kaffee. Dannach ging es in die Bibliothek zum Zeitungslesen. Den rest des Tages verbrachte er auf einer Bank in der Fussgängerzone im Stadtzentrum. Er sass wohl immer dort, bei Sonne und bei Regen, im Sommer und auch im Winter.
Im Winter 2010 auf 2011 verschlimmerte sich sein Gesundheitszustand. Seine Beine schmerzten, das Laufen fiel schwerer und schwerer. Er wurde von den Behörden in eine Sozialwohnung gesteckt, zusammen mit jemandem mit dem er sich bis zum Ende nicht verstand. Er verstarb einsam und wurde von einem Cousin in seinem Heimatdorf beerdigt.
Gerne hätte ich mich mit ihm unterhalten!
Marko Krojac 2019